Davide La Rocca

Vita

1970 geboren in Catania (Italien) Lebt und arbeitet in Milano (Italien)

Ausstellungen

2012 "Nervous Women", Museum Dr. Guislain, Gent (B) "face to face", Neue Galerie Gladbeck, Gladbeck 2011 "Stills", Galerie Voss, Düsseldorf 2010 "Ritratti", Corsoveneziaotto, Milano (I) 2009 "Collector's Choice II", ZKM Museum für Neue Kunst, Karlsruhe 2008 "Strange Object", Galerie Voss, Düsseldorf "VIAGGIO IN ITALIA", Neue Galerie Graz am Landesmuseum Joanneum 2006 “Faster! Bigger! Better!”, ZKM Karlsruhe 2005 Biennale di Roma (I) "Auftakt", Galerie Voss, Düsseldorf 2004 “Real Vision Reflex”, Galerie Voss, Düsseldorf VERNICE, Sentieri della giovane pittura italiana, curated by Francesco Bonami, Villa Manin, Passariano, Codroipo (UD) 2003 “Schwarzweiß” aus Italien, Galerie Davide Di Maggio Mudimadue, Berlin “Futuro italiano”, curated by Lorenzo Canova, Bruxelles (B) 2002 “Ungenioingenuo", curated by G. Del Vecchio, Studio d'Arte Cannaviello, Milano 2001 “Exempla, un percorso nella pittura”, Museo dell’Arredo Contemporaneo, Ravenna (I) "Nuova Pittura Figurativa", Galerie A&O+Cannaviello, Berlin "Il Furore dei Novanta", Kunsthaus Tacheles, Berlin 2000 MAPP (Museo d’arte Paolo Pini) "Sguardi a corte", Corte delle Giare, Parma (I) "15° triennale internazionale d'arte sacra" city of Celano, L'Aquila, Castello Piccolomini (I) "3° Convocatoria internacional de jovenas artistas", Galerìa Luis Adelantado, Valencia, (E) 1999 “Aggiunte al Catalogo. Nuova pittura italiana negli spazi del museo”, Galleria d'Arte Moderna of Udine (I) “NEOICONICA”, Studio d'Arte Cannaviello, Milano (I) “TEMPO RIFLESSO”, Ex Ferramenta Todeschini, Faenza (I) “MORBI'. Porto Insicuro”, Mole Vanvitelliana, Ancona (I) “Memorie Italiane”, Guang Dong Museum of Art, Er-Sha Island, Guangzhou, (VRC) Messebeteiligungen Seit 2005 Art Brussels (B) Art Frankfurt (D) Arte Fiera Bologna

Kataloge

Aktuelle Ausstellungen

Literatur

Strange Objects Von Thomas W. Kuhn Um das Jahr 1500 beherrschte ein Streit die ästhetische Diskussion unter Künstlern und Philosophen, der unter dem Begriff "Paragone" in die Geschichtsschreibung der Kunst einging. Bildhauer, Maler und Architekten stritten miteinander, welches der künstlerischen Medien den Vorrang vor den anderen besitzt. Während die Architekten großzügig Malerei und Bildhauerei im Sinne des Gesamtkunstwerks umfassten, stritten Maler und Bildhauer um die jeweilige Fähigkeit ihrer Kunst, dem Auge des Betrachters ein Bildwerk als wahrhaftig vorzuführen. Kein geringerer als Leonardo da Vinci entschied diesen Streit souverän und eloquent für die Malerei und gegen die Bildhauerei. Das 19. Jahrhundert aktualisierte diesen Streit durch die soeben erfundene Kunst der Fotografie. Jetzt geriet die Malerei allein in Opposition zu dem neuen Medium. Schon bald gerieten zahlreiche Portraitmaler in Bedrängnis, verloren Aufträge an die Portraitfotografen und waren oftmals gezwungen, sich einen neuen Broterwerb zu suchen – nicht selten als Portraitfotografen. Dabei zeigte die Malerei konfrontiert mit den Leistungen der Bildhauerei und der Fotografie ein enormes Vermögen, mediale Eigenschaften dieser Künste in Gemälde zu übersetzen. Spätgotik und Renaissance entwickelten in der Grisaille-Malerei, in der Skulpturen und Reliefs nachgeahmt wurden, einen ungeheuren Illusionismus und bildeten bei der Ausstattung von Altären, Kirchen und Palästen eine ernsthafte Konkurrenz für die Bildhauer, die immerhin das Prestige der für die Renaissance so wichtigen antiken Skulptur hinter sich wussten. Im 19. Jahrhundert profitierten Realismus und Naturalismus von den Leistungen der Fotografen und schließlich wird für die vielschichtige und innovative Malerei der klassischen Moderne immer wieder die These in Anspruch genommen, dass erst die Fotografie die Malerei von der Aufgabe befreite, die "objektive" Wirklichkeit abzubilden, so dass sie in die Tiefen der Abstraktion vorstoßen konnte. Mit der zeitlich parallelen Erscheinung des Untergangs der akademischen Tradition ging zugleich das Wissen darum verloren, dass nicht nur die neu entwickelte Fotografie ein "technisches" Medium zur Abbildung der Wirklichkeit war, sondern auch die Malerei. Entsprechend war die Reaktion in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als eine Reihe von Malern erneut eine intensive Auseinandersetzung mit dem Medium der Fotografie suchten. Während sich die Fotografie selbst neben der Videokunst in den Museen und Ausstellungshäusern etablieren konnte, schien vor allem der Fotorealismus mit seinen zahlreichen Vertretern aus den USA eine vorübergehende Episode zu bleiben. Inzwischen hat sich nicht zuletzt durch ihre vielleicht bedeutendsten Maler, Chuck Close und Gerhard Richter, das Konzept des Fotorealismus rehabilitiert. In dieser Tradition steht Davide La Rocca. Er befragt auf die ihm spezifische Weise die Möglichkeiten der Malerei im Dialog mit den Techniken des fotografischen, elektronischen und digitalen Bildes. Tatsächlich materialisiert La Rocca diese an sich immateriellen Bilder in Gemälden, die im Ganzen oder in Teilen durch den Farbauftrag eine reliefierte Oberfläche erhalten, die wiederum zusätzliche Wirkung im Licht des Ausstellungsraums entfaltet. Wesentlich für seine Bilder ist der Aufbau aus systematisch aufgetragenen Punkten, die in ihrer präzisen Diktion an Paul Signac und Georges Seurat erinnern. Die Nähe zum Pointillismus, respektive Divisionismus, resultiert aus dem technischen Verfahren, mit dem La Rocca Fotografien, Standbilder aus Filmen und Video oder fotografische Collagen in Malerei überträgt. Ein Teil seiner Bildvorlagen wird am Computer mit Hilfe eines Programms gerastert und anschließend von einem Farbbild in ein Bild mit 20 Graustufen übertragen. Minutiös werden diese Rasterpunkte in einem aufwändigen Prozess über Wochen hinweg auf die Leinwand übertragen. In der Nahsicht erscheint das Bild in der Folge abstrakt, die einzelnen Bildpunkte sind was sie sind: Bildpunkte. Erst mit einem gewissen Abstand stellt sich jener vom Divisionismus aber auch von Fernseh- und Computerbildschirmen her bekannte Effekt ein, dass sich die Punkte im Wahrnehmungsprozess von Auge und Gehirn zu einer bildlichen Gestalt fügen. Dieses Verfahren entspricht strukturell der Bildauswahl La Roccas in den Fällen, in denen er auf Standbilder aus Filmen und Videos zurückgreift. La Rocca stoppt den kontinuierlichen Fluss der Bilder und untersucht Bild für Bild hinsichtlich seiner Verwendbarkeit – auch der Film wird quasi gerastert. Mit seinen neuesten Bildern dieser Art, wie "Isabelle BN" und "Isabelle RGB" aus 2007 realisiert La Rocca neue Möglichkeiten dieser Technik. Während er in seinem Bildzyklus "Real Vision Reflex", der sich mit David Cronenbergs Film "eXistenZ" auseinander setzte, mit dem 20-stufigen System der Grauwerte arbeitete, ist "Isabelle BN" auf weiße Punkte auf schwarzem Grund reduziert. Dem hingegen findet sich "Isabelle RGB" in die Farben Rot, Grün und Blau gerastert, den Grundfarben der additiven Farbsynthese, die bei Bildschirmen zum Einsatz kommt. Tatsächlich entsteht der Eindruck, man wäre zu nah an einem Fernsehbildschirm alter Röhrentechnik mit Lochmaske, dem auch spezifische optische Artefakte zu eigen sind, die regelmäßige Strukturen bilden, die nicht im Ausgangsmedium zu finden sind. Die auf Standbildern aus Filmen beruhenden Gemälde konzentrieren sich zumeist auf die weiblichen Hauptdarstellerinnen, allen voran Eva Green, begleitet von Nicole Kidman und Jennifer Jason Leigh. Aus dem filmischen Kontext isoliert verwandeln sie sich in den Gemälden La Rocca's zum Rollenportrait, in Variationen zwischen Brustbild, Büste und Kopfbild mit unterschiedlichen Kopfhaltungen, in Drehungen von der Frontalansicht bis hin zum Profil. Als Ikonen unserer Zeit aktualisieren sie Typen der Weiblichkeit die unter Bezug auf die biblische Historie bis zur ersten Frau, Eva, zurückgeführt werden können. Tatsächlich findet sich in einer weiteren Gruppe von Bildern in den Motiven eine Hinwendung La Rocca's zu allegorischen und symbolischen Bildern mit mythologischen Dimensionen. "Stanza della Zebra" und "Il Guardiano", beide aus 2006, visualisieren surrealistisch anmutende Arrangements mit Anklängen an Federico Fellini, die La Rocca unter Verwendung mehrerer Fotografien am Computer kompositorisch verband. "Il Guardiano" zeigt einen knietief im Wasser stehenden Wächter der Schweizer Garde des Vatikan vor einer Plattform mit einem Flügel, auf dem ein Rhinozeros steht, auf dem wiederum zwei Kinder hocken. Zur rechten steht ein nackter Mann mit pathetisch erhobenen Armen auf einem Bein. Das ganze Arrangement erscheint verzerrt, wie ein in die Schräge fluchtender Bildschirm. "Stanza della Zebra" wirft den Blick in einen Raum, der wie der bekannte achteckige Saal der Tribuna in den Uffizien gestaltet ist, einst berühmt als Aufstellungsort der Venus della Medici, die vor dem Fund der Venus von Milo das Ideal weiblicher Schönheit verkörperte. In La Roccas Vision ist der Raum auf Bodenhöhe mit Wasser gefüllt und diesmal stehen sogar zwei Wächter der Schweizer Garde zur linken und zur rechten eines zentralen Podestes. Auf diesem Podest steht wiederum ein Flügel, das einem Zebra als Sockel dient. An den Wänden verteilt hängen diverse Bilder Caravaggios, die in Wirklichkeit an unterschiedlichen Orten hängen. In diesen beiden Bildern La Rocca's mischen sich Assoziationen eines Musée Imaginaire im Sinne André Malraux', mit der bühnenhaften Präsenz von Fernsehgalas und der Akrobatik des Zirkus und des Varietés. Das noch komplexere Gemälde "Ultra Darwin" verbindet Motive aus beiden Bildern und bestätigt den Bezug zur Mediceischen Venus, hier ganz als Eva interpretiert, mit dem Apfel der Erkenntnis in der Hand zum Sündenfall verführend. Wahrscheinlichere, aber nicht weniger symbolträchtige Situationen zeigt die Serie "Versatore" mit Kindern, die in einer quadratischen Box hocken und mit einem Gefäß Wasser aus dem vor Ihnen liegenden Becken schöpfen oder hinein gießen. Sie erinnern an die Darstellung des unwissend in Selbstverliebtheit versunkenen Jünglings Narziss durch Caravaggio in der Galleria Nazionale d'Arte Antica in Rom. Diesem zirkulären Akt der Selbstreflexion entspricht das scheinbar sinnlose Schöpfen von Wasser aus dem Becken durch die Kinder und dem anschließenden Wiederhineingießen. So lange sie dieses Spiel betreiben, so lange bleibt die Oberfläche des Wassers in Bewegung und bleibt die eigene Reflexion verzerrt und sie bleiben so vor den Risiken des Narzissmus verschont, die erst zur Gefahr werden, sobald das zur Ruhe gekommene Wasser zum Spiegel wird. Die Ambivalenz einer bedrohten Idylle wird schließlich in ”Ora X” und “Orizzonte all'ora” aus 2005 auf die Spitze getrieben, die wiederum Kinder – diesmal auf Luftmatratzen – im Vordergrund auf dem Meer treibend zeigt, während im Hintergrund infernalisch Pilze von Atombombenexplosionen in den Himmel steigen. Davide La Rocca bezeichnet seine Bilder selbst als "seltsame Objekte" und dies gilt tatsächlich für beide Dimensionen seiner Gemälde, dem technischen Modus ihrer Umsetzung einerseits, wie der Wahl und Komposition seiner Motive andererseits. Ihr Erscheinungsbild ist notwendigerweise unvertraut, da die technischen Mittel, die zum Einsatz kommen zum Teil noch sehr neu sind und bislang in der Malerei keine derartige Rezeption gefunden haben, dass sie schon "vertraute" Objekte sein könnten. "Seltsam" bleiben sie aber auch, weil das, was sich auf den ersten Blick als "einfache" technische Übertragung eines technischen Bildes zeigt, tiefe Wurzeln in der Geschichte der Malerei besitzt, in der Maler seit der Renaissance immer wieder neueste wissenschaftliche Werkzeuge in Form optischer Geräte und Konstruktionen zur Darstellung einer bildnerischen Wirklichkeit nutzten. Sinnbild dieser Tradition der Ausweitung des Sichtbaren ist La Roccas Bild des Mondes von 2007. Im Bereich der hell erleuchteten Mondsichel wird daran erinnert, dass erst die Instrumente der Astronomie den Detailreichtum des Erdtrabanten sichtbar machten. Und in diesem Bild geht La Rocca in seiner Rastertechnik hinsichtlich der computergenerierten feinstufigen graduellen Auflösung in Grauwerte bis knapp an die Grenze des mit dem Pinsel möglichen. An dieser Grenze sind Forscher und Künstler eins: Entdecker.

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